GEMEINSAME KULTUR UND GESCHICHTE
In einem Edikt des römischen Kaisers Konstantin aus dem Jahr 321 findet sich die erste Erwähnung von Juden, die im Gebiet des heutigen Deutschlands leben. Sie lebten in der damaligen römischen Stadt Köln. Erste Spuren jüdischen Lebens im Gebiet des heutigen Baden-Württembergs stammen aus dem 11. oder 12. Jahrhundert. „Wenn im Jubiläumsjahr 2021 an das jüdische Leben in Deutschland erinnert wird, machen sich die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg auf die Suche nach den Spuren der gemeinsamen Geschichte“, erklärt Michael Hörrmann, der Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg. „Es gibt viele kaum bekannte Details und Biografien: In diesem Jahr stellen wir sie vor.“
ANTIJUDAISMUS IN MITTELALTER UND FRÜHER NEUZEIT
Herzog Eberhard im Bart, eine der bedeutendsten Personen der württembergischen Geschichte, starb am 25. Februar 1496. In seinem Letzten Willen verbot er unter anderem die Ansiedlung von Juden in Württemberg. Damit stellte er für über 300 Jahre die Weichen für das jüdische Leben im Herzogtum. Die antijüdische Politik des württembergischen Herrschers war tragisch – sie fügt sich allerdings in das antisemitische Muster der Zeit. Eberhards Onkel, Friedrich von der Pfalz, verwies die Juden ebenfalls aus seinem Herrschaftsgebiet. Im späten Mittelalter tauchten immer wieder Gerüchte auf, die es erleichterten, die Minderheit zu verfolgen – bis hin zum Vorwurf der „Hostienschändung“ und der „Brunnenvergiftung“.
EBERHARD IM BART, GEBOREN IN SCHLOSS URACH
Eberhard im Bart, geboren 1445 in Schloss Urach, hat in Württemberg nachhaltige positive Spuren hinterlassen – etwa durch die Gründung der Universität Tübingen 1477, die Wiedervereinigung des Landes 1482 und den Aufstieg Württembergs von einer Grafschaft zum Herzogtum 1495. Dafür gewann er einen Platz in der kollektiven Erinnerung der Württemberg. Eine andere Seite von ihm ist weniger bekannt: Eberhard im Bart betrieb eine antijüdische Politik, die das jüdische Leben im Herzogtum für über 300 Jahre prägte. Bei Gründung der Universität – zu einer Zeit, als er noch im Schloss Urach residierte – ließ er alle Juden aus Tübingen vertreiben. Sein Testament, das er 1492 zu Papier brachte, bildete die Fortsetzung dieser Politik.
DER LETZTE WILLE DES HERZOGS
„Item es ist och unnser Ordnung unnd letster will, das fürohin unnser erben in unnser Herschaft kainen Juden Seßhafft wonen noch dahein gewerb tryben laßen“ – so bestimmte es Herzog Eberhard. Weder sollte ein Jude in Württemberg leben noch sollte er einer Arbeit nachgehen. Der Herzog formulierte dabei durchaus den antijüdischen Geist der Zeit: Die Landschaft, die Vertretung der Städte und Geistlichen im Land, bestätigte die Anordnung. Juden waren damit offiziell und endgültig aus Württemberg ausgewiesen. Auch die umliegenden Herrschaften wurden von der württembergischen Landschaft dazu angehalten, „die juden ouch nit zu halten“.
EIN LANGANHALTENDES ERBE
Bis zum Ende des Herzogtums Württemberg 1806 berief man sich auf das Testament Eberhards und die Regimentsordnung. Das jüdische Leben Württembergs kam in dieser Zeit jedoch nicht ganz zum Erliegen. Einzelne jüdische Familien durften im Herzogtum leben. Sie waren keine normalen Bürger, sondern „Schutzjuden“, die den ausdrücklichen Schutz des Landesherrn benötigten. So kam es, dass um 1800 lediglich 534 Juden im Herzogtum lebten – bei rund 660.000 Einwohnern. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden die Juden in Württemberg zunehmend gleichberechtigt. Das Unrechtsregime der Nationalsozialisten mit dem Holocaust vernichtete das jüdische Leben in Deutschland und Europa weitgehend und stellt einen tiefen und schmerzhaften Einschnitt in die Geschichte der deutschen Juden und Deutschlands dar.
SERVICE: 1700 JAHRE JÜDISCHES LEBEN IN DEUTSCHLAND
Im Jahr 2021 kann jüdisches Leben in Deutschland auf eine 1700-jährige Geschichte zurückblicken, die im Rahmen eines bundesweiten Themenjahres mit zahlreichen Veranstaltungen beleuchtet werden soll. Seit dem Jahr 321 leben Jüdinnen und Juden nachweislich auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands: Ein Edikt des römischen Kaisers Konstantin erwähnt die Kölner Jüdische Gemeinde. Es gilt als ältester Beleg jüdischen Lebens in Europa nördlich der Alpen. Die baden-württembergische Landesregierung stellt die Vermittlung und die positive Akzentuierung von vielfältigem jüdischem Leben heute und der 1700-jährigen jüdischen Geschichte und Kultur auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands ins Zentrum des Festjahres. Zugleich gilt es, dem wiederauflebenden Antisemitismus in Europa entgegenzuwirken. Die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg machen sich auf eine Spurensuche in den Monumenten des Landes.
HINWEIS
Alle Monumente der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg sind ebenso wie die Kultureinrichtungen nach der aktuellen Corona-Verordnung des Landes mindestens bis zum 7. März geschlossen.